Auf den Spuren des großen Mystikers
Bede Griffiths
Wir sind alle Pilger auf der Suche nach Wahrheit. Wir dürfen nie vergessen, dass das göttliche Mysterium, die letzte Wahrheit, unsere Begriffswelt übersteigt. Wollen wir zu dem Mysterium gelangen, das jenseits von Worten und Gedanken, von Leben und Tod liegt, müssen wir über die Begriffe hinausgehen!
Diese Erkenntnis des großen Mystikers Bede Griffiths, führt uns auf den Weg der Erlösung. Erlösung bedeutet, vom Sinnhaften und der materiellen Welt befreit zu werden und den Grund und die Quelle des Selbst zu entdecken.
Seine tiefe Weisheit erlangte der Benediktinermönch in Indien, inspiriert durch die Jahrtausende alte hinduistische Philosophie der Upanishaden: Sie bezeichnet Gott als „Quelle“, als Urgrund, aus dem alles Irdische hervorgeht. Pater Bede sah seine eigene, christliche Glaubensüberzeugung nach und nach in einem neuen Licht….
Ich bin in einer patriarchalen Gesellschaft aufgewachsen. Der Intellekt stand immer im Vordergrund, Emotionen wurden unterdrückt. Als ich später eine andere Seite in mir entdeckte: die Intuition, – da eröffnete sich mir eine neue Dimension: Es war die Erfahrung, die der Hinduismus als „Nicht-Dualität“ bezeichnet, als „Advaita“. Diese Erfahrung, die hinduistische und christliche Mystiker beschreiben, führt über die Enge des Verstandes hinaus und lässt dich erkennen, dass alles von einem großen Ganzen umfangen ist.
Jenseits aller Unterschiede zwischen unseren Religionen gibt es eine grundlegende Wahrheit, die wir alle teilen. Solange wir an der Oberfläche bleiben, sehen wir nur die Unterschiede, und der Hinduismus scheint Meilen weit weg vom Christentum oder vom Islam. Aber wenn wir in jeder Religion in die Tiefe gehen, uns auf ihr Zentrum zu bewegen, dann kommen wir uns automatisch näher. Denn alles entspringt in diesem Zentrum – und alles läuft auf dieses Zentrum zu!
Gott ist auch im christlichen Verständnis keine Person. All unsere Begriffe von Gott – wie Vater, Sohn und so weiter – sind nur Projektionen. Jenseits all dieser rationalen Begriffe ist Gott auch für uns einfach der Ursprung, die Quelle, das Eine. Und von diesem Einen geht das aus, was wir „Schöpfung“ nennen. Das Göttliche ist daher – auch für den christlichen Mystiker – in allem Lebendigen gegenwärtig: in jedem Atom, in jedem Molekül, in jedem Lebewesen, in jedem von uns….
Bede Griffiths
Tod – Erfahrung der bedingungslosen Liebe
Bede Griffiths erzählt…
Am 24. Januar 1990 erlitt ich in meiner kleinen Hütte im Sat-Chit-Ananda Ashram einen schweren Schlaganfall. Ich hatte das Gefühl, jemand schlug mir mit einem Hammer auf meinen Kopf. Ich war sieben Tage bewusst- und regungslos. Es war ein Tod des Verstandes. Ich konnte noch beten, um mich auf den Tod vorzubereiten. Nichts passierte.
Meine Umgebung war in größter Sorge und war auf alles gefasst. Ich fühlte die Notwendigkeit, mich der Mutter, dem Weiblichen, hinzugeben. Und als ich allmählich wieder am 31. Januar zum Bewusstsein kam, wurde ich von einer Welle der Liebe überwältigt, die so stark war, dass ich im Zweifel war, sie zu überleben.
Das Weibliche öffnete sich in mir und wurde integriert. Seither war ich nie wieder in der dualistischen Welt. Was mir meine Erfahrung lehrte war, dass man diese Liebe entdeckt, die in einem ständig ist, ganz tief im Innersten.
Dann wurden mir die letzten Worte Jesu am Kreuz plötzlich klar:
„Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“
Es war für Jesus der Höhepunkt seines Lebens. Er hatte alles verloren, seine Jünger waren geflüchtet, Menschen, die ihn zurückgewiesen hatten. Und nun musste er auch seinen Gott loslassen. In dem Moment wo er alles losgelassen hatte, den Tod und die Dunkelheit, das Nichts erblickte, wurde er von bedingungsloser Liebe eingehüllt.
Das ist die Erfahrung des Todes.
Die große Kraft der Liebe, die jeder in sich trägt. Aber der Verstand will laufend alles kontrollieren. So braucht man manchmal einen Schlag auf den Kopf, um zu erwachen. Und dann hat man keine Angst mehr vor Unfällen und Krankheiten. Die Liebe offenbart sich in Fülle.
Wenn Menschen sterben, erfahren sie eine bedingungslose Liebe, die auch sehr herausfordernd ist.